Mittwoch, 19. August 2009

Die kleine Schule der verbalen Verteidigung II

Sehr geehrte Studierende der Unsichtbaren Universität Ankh-Morpork,

wie Sie sicherlich bemerkt haben, fiel die letzte Stunde aufgrund persönlicher Umstände aus. Wir werden daher einen Ersatztermin finden müssen, um die verlorengegangene Stunde aufzuholen. Ich bitte Sie daher, mich gen Ende der Stunde nochmal daran zu erinnern, damit wir gemeinsam einen Tag und eine Uhrzeit finden können, an dem alle oder zumindest die meisten von Ihnen Zeit haben. So, das zum Organisatorischen.
In der letzten Veranstaltung erfuhren wir, welche verschiedenen Gnu-Arten es in unserer Umgebung gibt und wie man sie identifizieren kann. Nun ist es wichtig, zu lernen, wie man ihnen in einer unmittelbaren Gefahrensituation begegnet, wenn sie versuchen, sie mit ihrer Gnuigkeit zu überrumpeln.
Die Kunst, von der ich hier spreche, ist die Kunst des unerwarteten Humors. Dabei geht man relativ simpel vor: man hört sich den Gnuismus des behörnten Kontrahenten an, beginnt seine Erwiderung mit einem dem Gnuienisch ähnlichen Aufbau, durchbricht aber diese Hörnerargumentation durch einen unerwarteten Scherz auf Kosten der dummdreinblickenden Gnuigkeit.
Zu ihrem persönlichen Glück durfte ich eben vor dem Seminarbeginn in einem relativ bekannten Lebensmittelmarkt mit einer kleinen Herde Gnus kämpfen.
Ich werde nun dieses Erlebnis schildern, und ihnen an diesem Beispiel die Kunst des Gnukonters aufzeigen.
Wir erinnern uns vorher aber noch an die dem Gnu so eigene Dreistigkeit, die wir bereits bei der ollen Zippe kennenlernen durften. Notieren Sie sich bitte an dieser Stelle - falls Sie es noch nicht getan haben sollten - , dass die Dreistigkeit zu den Grundeigenschaften unserer gehörten Mitbürger gehört.
Aber nun zu meiner kleinen Geschichte:
Ich gebe hiermit offen zu, dass ich einem kleinen Steak am Abend nicht abgeneigt bin. Ja, ich gehöre zu dem gut gelaunten Club der Fleischkonsumenten. Vielleicht haben Sie mich ja schön das eine oder andere mal auf dem Unigelände grillen sehen. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass ich vor Seminarbeginn ein paar tierische Proteine (praktischerweise in lecker gewürzter Form) käuflich erwerben wollte. An der Kasse beförderte nun eine Gnumutter mit ihrem Kalb ihre Lebensmitteleinkäufe auf das Warenband, welche sich durch das völlige Fehlen tierischer Proteine auszeichneten. Ich lud nun ebenfalls meine Waren auf das Band und löste im Kopf einige schwere Gleichungen der höheren Mathematik, als sich das Kalb nach einem Blick auf meine Frikadellenbällchen plötzlich angeekelt abwandte und in einer Lautstärke sagte, die darauf abzielte, dass ich es auch ja höre "Bah, da kann ich gar nicht hinsehen...ich denke da immer an die armen Tiere."
Die Gnumutter gab ein zustimmendes Muhen von sich und schaute mich an, als ob ich in meiner Freizeit kleinen Kindern aus Spaß die Haut abziehen würde.
Ich schaute mich im Laden um, erkannte mein relativ großes Publikum und sagte ihr mit einer weinerlichen Stimme:
"Und wissen Sie, was das Schlimmste an der Sache ist? Die Verfremdung! Überall im Laden hier können sie Fleisch der verschiedensten Sorten kaufen, ohne dass sie sich überhaupt bewusst machen müssen, dass sich dahinter die verschiedensten armen Tiere befinden. Dabei ist es so wichtig - SO UNGLAUBLICH WICHTIG, dass ein Mensch bereits von Kindesbeinen an den Gebrauch von Bolzenschussgeräten lernt, damit es das Schwein (Info: hierbei blickte ich auf meine Frikadellen)...oder bei diesem Produkt wahrscheinlich auch Katze und eine halbe Ratte von Angesicht zu Angesicht töten kann, damit es anschließend - im Blut stehend - die Faust gen Himmel recken und dabei "VEGANER ERNÄHREN SICH NUR VON BEILAGEN!" brüllen kann!"
Die Gnufamilie, die mit diesem Ausbruch an Sarkasmus wohl nicht gerechnet hatte, wollte sicherlich nun gemeinsam zum Gegenangriff starten, aber dieses wurde durch das Schlusswort "Wissen Sie, die Höflichkeit endet mit dem Überschreiten der Grenze des Draufzeigens mit dem Finger und gleichzeitigem Ihhhhh-Gebrülles." zum Verstummen gebracht.

Doch was habe ich genau getan? Ich folgte der Gnuigkeit, indem ich meine Erwiderung mit einer zustimmenden Phrasensammlung begann, dann aber die Gnuargumentation mit einer scherzhaften Schilderung des fleischkonsumierenden Bolzenschussgerätbengels durchbrach.
Die abschließende Belehrung in Sachen Manieren bzw. im Besonderen der Höflichkeit ist vergleichbar mit dem Kehlenbiss eines gnujagenden Löwens: es beendet den Kampf auf eine saubere Art und Weise.
Ich möchte, dass sie sich bis zur nächsten Stunde mindestens 3 Szenarien ausmalen, in denen sie die Gnuargumentation brechen können. Wir werden dann in kleinen Gruppen eine Art Theater aufführen, wobei wir die einzelnen Möglichkeiten kommentieren und bei Bedarf diskutieren werden. Kommen wir nun zu einem....(eine Hand einer Studentin schießt nach oben und Dr. H. E. Wandpilz wird daran erinnert, dass nur noch 3 Minuten übrig sind, um den Ersatztermin zu besprechen.)
Nun gut, beenden wir die heutige Stunde. So, irgendwelche Vorschläge zum Termin?
(damit enden die Aufzeichnungen des Seminarteilnehmers)

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