Samstag, 15. August 2009

Das gemeine Alltagsgnu, das griechische Tarnkappengnu und Mimikry als Schutzfunktion

Sehr geehrte Damen, Herren und Franzosen,

wie angekündigt, beschäftigen wir uns in der heutigen Stunde mit dem Erkennen eines Gnus in ihrer Umgebung. Ziel dieser Stunde soll es sein, dass Sie anschließend in der Lage sind, innerhalb von 2 Minuten ein Gnu von einer Person zu unterscheiden, die a) keine Gnueigenschaften besitzt oder b) sich nur zum Zwecke der Tarnung zum Gnu macht, um nicht von empörten Huftiermassen zertrampelt zu werden.
Es gibt - und das sollte man gleich zu Beginn verraten - auch Gnus, die sich ihre Gnuigkeit nicht ansehen lassen wollen, obwohl sie durch und durch dem Gnuismus verfallen sind. Diese Exemplare werden zum Schluss besprochen werden. Aber beginnen wir mit dem leicht zu erkennenden "gemeinen Gnu" (lat. Gnusus simplicissimus), welches sich innerhalb weniger Augenblicke mit den richtigen Fragen als solches zu erkennen gibt.

1.) offensichtliche Gnus in ihrer Umgebung
Das gemeine Gnu kennzeichnet sich durch das Verlangen aus, alles mit einer einfachen Antwort abzuhaken. Je universeller die Gültigkeit der Antwort ist, desto eher neigt das Gnu dazu, sich diese anzueignen. Dabei verzichtet dieses Lebewesen gerne auf komplizierte Antworten und greift sehr tief in die Dünnbrettbohrerkiste. Hier ein paar typische Gnusaussagen:
"Wenn die Bonzen nicht alle so viel verdienen würden, wäre mein Leben besser", "Die Polizei will mir grundsätzlich meine Freiheiten einschränken und ist nie da, wenn man sie braucht" "Es war Gottes Wille!" "Alle Politiker sind böse."
Hinter diesen Kommentaren steckt eine universelle Antwort: "Alle sind für den Schaden verantwortlich ausser ich." Diese Lebensphilosophie durchzieht wirklich jeden Kommentar zu egal welchem Thema, mit dem sich ein Gnu konfrontiert sieht. Um ein Gnu zu entlarven, stellen Sie ihm also ganz normale Alltagsfragen, á la "Was halten sie von der Politik?" (=> alle böse), "Warum ist ihr Schreibtisch nicht ordentlich?" (=> na, wenn SIE mir hier alles mit Aufträgen/Anträgen/Akten/etc. zumüllen, wundern sie sich nicht, wenn ich keine Zeit habe, hier Ordnung zu halten!) "Wie stehen sie zur Klimaveränderung?" (=> das liegt doch alles am Chinesen, der seine ganzen Abgase schonungslos in die Atmosphäre bläst!)
"Spenden Sie eigentlich etwas von ihrem Geld bedürftigen Menschen?" (=> Wenn die zu blöd sind, sich einen Job zu suchen, kann ich denen auch nicht helfen! oder auch beliebt => dann sollen doch all die Reichen mal was abgeben!)
Wirklich immer ist jemand anderes die Ursache für die Probleme des Lebens. Doch damit ist das Spektrum der Gnuigkeit noch längst nicht komplett beschrieben. Es gibt neben der Tatsache, dass sich das Gnu für perfekt halten muss (immer ist der andere Mensch daran schuld), auch noch die Fähigkeit, die Realität komplett auszublenden.
Ein Gnu heiratet ein Gnuweibchen, welches es seit 12 Tagen kennt, da das die große Liebe sei.
Ein Gnu glaubt, dass es mit dem Geschick, zwölf Wörter aufzählen zu können, die sich auf Bitch reimen, ein großer Rapper werden kann und sich daher wirklich nirgendwo mehr anstrengen muss.
Ein Gnu verschließt die Augen vor drohenden Strafen (zum Beispiel bei einem hübschen Foto auf der Autobahn bei 211 km/h aufgenommen oder bei roten Mahnungen im Briefkasten) mit der Hoffnung, dass man ihn ja vielleicht vergessen wird.
Ein Gnu verzichtet bei einem One-Night-Stand auf ein Kondom, da der Bettgegner sowas bestimmt genau wie man selbst zum ersten Mal macht.
Kurz: ein Gnu sieht sich als Ausnahme an. Es passiert alles nur den anderen Menschen. Kein Wunder, denn die sind ja auch an allem Bösen dieser Welt schuld.

2.) das griechische Tarnkappengnu
Neben diesen offensichtlichen Gnus gibt es noch die relativ seltenen Tarnkappengnus, die instinktiv schon lange spüren, dass sie selbst Idioten sind und daher eher dazu tendieren, auf Fragen mit "weiss ich nicht", "kein Plan" oder mit nichtssagenden Standardantworten unterzutauchen als ihre Gnuigkeit zur Schau zu stellen. Diese Gnus sind schwer als solche zu erkennen, da auch im Reich der normalen Menschen das ein oder andere Exemplar zu finden ist, welches seine Unkenntnis ohne Scham offen darlegt, was spätestens seit Dieter Nuhrs Spruch "Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten." zu einer Tugend geworden ist.
Sie werden dieses Gnu allerhöchstens durch einen Zufall entlarven, wenn es sich in gewissen Unterhaltungen einfach nicht mehr zurückhalten kann (gesteigerter Alkoholkonsum kann ein Auslöser für diesen Riss im Gnutarnmantel sein). Aber seien sie unbesorgt: das Tarnkappengnu ist ein unbedenklicher Zeitgenosse, da es selbst seine Gefahr erkannt hat (wenn auch in vielen Fällen unterbewusst) und somit einer Verbreitung gnuartiger Dämlichkeit von alleine vorbeugt.

3.) Mimikry als Schutzfunktion
Ein Nicht-Gnu kann in gewissen Situationen gezwungen sein, sich wie ein Gnu zu benehmen, um von einer ihn umzingelnden Gnuherde keine Angst haben zu müssen. Das beste Beispiel dürfte der Akademiker während eines Frauenschlammcatchwettbewerbs umgeben von geistig zurückgebliebenden Schlägern sein. Auch wenn es ihm zuwider sein mag, gröhlend auf den Vorbau der sich windenden Damen zu zeigen und dabei die Hälfte seines Bierkruginhaltes zu verschütten: aus Gründen der eigenen Sicherheit verzichtet er auf eine gepflegte Konversation über den Irakkonflikt mit dem bis zu den Haarwurzeln tätowierten Schrank neben ihm.
Mimikry ist aber mit einem geschulten Blick als solche zu erkennen: betrachten sie die Augen des vermeintlichen Gnus. Schaut es immer nach einer Aussage zu den anderen offensichtlichen Gnus und lacht erst dann, wenn die anderen auch lachen müssen? Sehen sie den Widerwillen in seinen Augen, sich zum 8.ten mal den Bierkrug nachfüllen zu lassen, obwohl er bereits vor 2 Stunden meinte, er müsse weiter, um "auf einer noch catchigeren Schlammcatchveranstaltung noch viel schlimmer einen Drauf zu machen", "die Sau auf einer Privatparty krachen zu lassen" oder andere Sprüche, die darauf hindeuten, dass er sowas noch nie gesagt hat? Dann können sie mit einer 90%igen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass sie es hier mit einem Nicht-Gnu zu tun haben, welches sich bewusst oder unabsichtlich mitten in eine Herde von Gnus gestellt hat und nun zitternd nach einem Ausweg sucht.

Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit verschieben wir die Lehre des unerwarteten Humors auf die nächste Stunde.
Ich danke für ihre Aufmerksamkeit und weise sie darauf hin, dass sie bitte das Grillen von Kamelen auf einen Zeitpunkt vor oder nach meinem Seminartermin verschieben sollten, wenn sie weiterhin an dieser Veranstaltung teilnehmen wollen.

Mit freundlichen Grüßen
ihr Hieronymus E. Wandpilz

1 Kommentar:

  1. Ich bitte um Verzeihung werter Kollege, aber mein Magen verlangte beharrlich nach einer Stärkung. Zukünftig sehe ich davon ab meine Veranstaltung "Grundlagen des Kamelgrillens I" in ihr Seminar zu implementieren. Diese findet dann im Anschluß statt, mit Kamelfleisch satt!

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