Vorab möchte ich mich bei Ihnen, liebe Studierende der Gnuistischen Fakultät, entschuldigen. Meine Seminare sind die letzten Wochen aufgrund akuter Gnuattacken von Seiten meines Umfeldes ausgefallen. Da ich in meiner kleinen Gemeinschaft einer der wenigen fähigen Gnujäger bin, sah ich es als meine oberste Pflicht an, dem Treiben dieser Hufwesen ein Ende zu setzen. Bitte erschrecken sie daher nicht, wenn sie den Verband an meinem linken Unterarm sehen, wenn ich mich meines Jacketts entledige.
So, wie sie dem Semesterplan entnehmen können, beginnen wir heute mit der Präsentation ihrer Lösungen in Gnukonflikten. Ich hoffe, dass sie nichts dagegen haben, wenn ich mich heute auf einen Gnuabwehrmechanismus ihrerseits beschränken werde, um den Zeitrahmen nicht unnötig zu sprengen. Daher bitte ich Sie, sich in 5 minütiger Eigenregie auf die beste Taktik zu beschränken. In der nächsten Sitzung können wir dann weitere Strategien besprechen.
(nach 5 Minuten)
So, Martina, ihren Aufzeichnungen zufolge haben Sie sich um die äußerst erfolgversprechende Blickwinkeländerung entschieden. Wenn es ihnen nichts ausmacht, werde ich ihre Unterlagen kurz sichten und dann versuchen, sie so treffend wie möglich wiederzugeben.
Ein Gnu wird aufgrund seiner einfachen Lebensphilosophie immer davon ausgehen, dass es im Recht ist, wenn es andere Wesen auf die Abwesenheit von gnueigenen Merkmalen hinweist.
Als Ort des Geschehens wählen wir einen Friedhof. Die beiden Gnus - in Gestalt eines Renterehepaares, welches sich um das Grab eines ihrer verstorbenen Herdenmitgliedes kümmert - beschweren sich über ihre äußere Erscheinung (in diesem Falle eine legere Hose, eine Strickjacke und Straßenschuhe), welche in ihrem Weltbild für einen Friedhofsbesuch unwürdig sind. Wie üblich ergreift die Gnukuh agressiv muhend das Wort und richtet die Worte "können sie sich nicht anständig anziehen, wenn sie einen Friedhof besuchen?" an sie.
Ihre Antwort, Martina, lautet nun wie folgt, nachdem Sie sich an die alternde Gnukuh wenden:
"Ich stelle Ihnen jetzt eine Frage, über die sie sich gerne auf dem Weg in ihr Gnudomizil unterhalten können.
Angenommen, sie leben alleine in einem Haus, welches sie aufgrund einer Krankheit nicht verlassen möchten. Sie können es ehrlich gesagt auch nicht, da sie durch die Krankheit nicht nur gelähmt sind, sondern sogar ihre 5 Sinne eingebüßt haben. Sie können weder etwas riechen, hören, schmecken, sehen oder fühlen.
Wir nehmen weiter an, dass ein- oder zweimal in der Woche Personen so nett sind, ihnen Blumen auf´s Dach zu legen. Aufgrund ihrer Krankheit können sie dieses natürlich in keiner Weise wahrnehmen.
Was ich sie nun fragen will, ist NICHT, ob ihnen die Blumen nicht herzlich egal sein können.
Was ich sie nun fragen will, ist NICHT, ob sie sich um den Kleidungsstil der Blumenspender kümmern.
Nein, was ich sie fragen will, ist, ob es sie interessiert, wie die Kleidung einer Person aussieht, die an den Personen vorbeigeht, die ihnen Blumen auf´s Dach legen, ohne dass sie etwas davon merken können."
(ein Lachen geht durch den Hörsaal)
Fabelhaft, Martina, einfach fabelhaft. Sie haben die Annahmen des Gnus einfach durch raffinierten Perspektivenwechsel der Absurdität preisgegeben. Ein Gnu wird immer dazu tendieren, auf "ungeschriebene Gesetze" zu pochen, welche in Wirklichkeit nur ihre eigene Meinung darstellt. Daher ist es sehr einfach, diese Angriffe mithilfe des Perspektivenwechsels auf die angeblich betroffene Person/oder das betroffene Tier zu richten.
Gnus kleiden zum Beispiel ihre Hunde mit kleinen Jacken und Hosen, da sie ansonsten "frieren würden". Selbstverständlich würde kein Hund je auf die Idee kommen, sich freiwillig wie ein Mensch zu kleiden. Daher wird der Perspektivenwechsel auf den betroffenen Hund auch die Meinung des Gnus ins Lächerliche ziehen.
Ich bin begeistert. Sie scheinen die Grundprinzipien der Gnuabwehr langsam aber sicher zu verinnerlichen. Sehen wir daher der nächsten Stunde freudig entgegen und erheitern uns an ihren weiteren Lösungvorschlägen. Ich bedanke mich mal wieder für ihre Aufmerksamkeit und wünsche ihnen noch einen angenehmen Tag.
Mittwoch, 16. September 2009
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